La Grange Deutsche Zeitung. (La Grange, Tex.), Vol. 17, No. 34, Ed. 1 Thursday, April 4, 1907 Page: 1 of 12
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offenen Brief fiel.
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Tange teutsche Zeilln
Jahrgang 17.
LaGrange, Wahette Co., Ter., Donnerstag, den 4. April 1907.
ch
Numnter 34.
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n
e
Berborgene Dusele.
Bon %. Sothis.
Einer Quelle cleic ist meine Seele,
Die in tiefer Bilbnis, ungeschaut.
Nieselt leis, bersidernd in der Höhle,
Der nicht Sonne scheint, nicht Himmel
blaut.
säm’ ein Wand’rer je an ihre Schwelle,
Bürb’ er klagen, das er sic verirrt...
Riesle, riefle, meine itille Quelle,
Bis um did) die Wildniß urbar wirbl
Ein schlauer Betrug.
Kriminalerzählung von Leo Geebrand.
In den glänzenden Laden eines der
ersten Goldschmiede Londons trat ein
stattlicher Mann, ber den rechten, noch
geschienten Arm in einer Binde trug.
Die äußere Erscheinung des Mannes
hatte das, was man „distinguirt" zu
nennen pflegt, seine Kleidung und
Haltung zeigten den alten Militär,
seine Manieren den vollendeten Gentle-
man. Bor ber Thür des Goldschmie-
des hielt ein elegantes Kabriolett, mit
einem Vollblutpferde bespannt, und
die Libree des Groom sowie das Ge-
schirr des Pferdes zeugten von dem
Geschmack des Eigenthümers.
Der Fremde sagte, daß er ein silber-
nes Tafelservice zu. haben wünsche,
und fragte den Goldschmied, Mr.
Green, ob er ihm ein solches anfertigen
könne. Natürlich wurde die Frage be-
jaht, der Fremde gab genau an, wie er
bie einzelnen Stücke des Services ge-
arbeitet haben wolle, und dann, bis zu
welcher Zeit die Arbeit fertig sein
müsse. Er bemerkte hierbei, daß er
das Service Tei ber Einweihung seiner
neuen Wohnung auf Merrion Square
gebrauchen wolle. Der Goldschmied
forderte 1200 Pfund. Der Fremde
besann sich einige Augenblicke, dann
sagte er, daß er 1500 Pfund für den
Ankauf des Services bestimmt habe
und deshalb Mr. Green ersuchen wolle,
zu den gewählten Gegenständen noch so
viele andere hinzu zu nehmen, daß das
Kaufgeld gerade 1500 Pfund betrage.
Mr. Green dankte für das Ber-
trauen, welches ber Herr ihm schenkte,
- und erlaubte sich die Frage, wessen
Empfehlung er es zu danken habe, daß
er mit diesem Auftrage beehrt werde.
„Niemandem," entgegnete derFremde
kurz. Mr. Green blickte ihn vermun-
dert an, und dieser fuhr mit etwas
mehr Freundlichkeit fort:
„Ich bin Soldat. Bei Elendslaagte
erhielt ich eine schwere Wunde an der
rechten Hand, so daß ich diese noch jetzt
zuweilen nicht gebrauchen kann. Daß
ich übrigens meineBestellung bei Ihnen
gerade mache, daran sind Ihre Eltern
und Ihre Großzeltern schuld." — Nr.
Green blickte mit einem Gemisch von
Verlegenheit und Erstaunen den Frem-
den an, denn seine Eltern und Groß-
eltern waren schon lange tobt. Der
Fremde fuhr lächelnd fort: „Ich will
mich deutlicher erklären. Als ich we-
gen der Wurde aus dem aktiven Dienst
austreten mußzte, beschloß ich, den Rest
meiner Tage in meinem Geburtsorte
zu verbringen. Auf einer Spazier-
fahrt zog Ihr glänzend ausgestatteter
Laden, noch mehr aber Ihr Name
meine Aufmerksamkeit auf sich, denn
ich führe gerade denselben. Diesem
einfachen Umstanbe, Mr. John Green,
verdanken Sie den heutigen Besuch
bes Obersten John Green. Sie wer-
den einen Namen in der Armeeliste
-finden: Oberst John Green von der
Garde, und dieser Oberst Green hat
jetzt das Vergnügen, seinen Namens-
vetter 3% begrüszen."
Nach einigen hierüber gewechselten
Redensarten kam Mr. Green wieder
auf das Geschäft zurück.
„Darf ich fragen, Oberst Green,"
sagte er, „ob Sie vielleicht ge-
neigt sind, mir irgend Jemanden-zu
, nennen,, der das Vergnügen hat. Sie
. zu kennen, und auf den Sie sich etwa
beziehen würden?"
„Nein," war die kurze Antwort.
„Dann darf ich Ihnen wohl meine
Verkaufsbedingungen mittheilen?"
„Erlauben Sie," unterbrach ihn der
Oberst mit Schärfe, „es wäre wohl
besser, ich theilte Ihnen meine Bebin-
gungen mit. Sie und ic sind einan-
der fremb, und obgleich mein Auftrag
kein bedeutender ist, To beläuft er sic
boc auf eine Summe, welche Sie ei-
nem Fremben nicht kredititen fönnen.
- zu. Ihrer Sicherheit dafür zahlen, daß
ich die bestellte Arbeit abnehme, und die
übrigen 1400 Pfund bezahle ich baar,
wenn ich das Service abhole."
Mr. Green konnte ein solches Aner-
bieten natürlich nur mit allem Dant
annehmen, der Oberst aber unterbrach
seinen Redefluß mit den Worten: „Sie
haben mit gar keinen Dank zu sagen;
t3 ist dies so meine Art, und, wie ic
Ihnen gesagt habe, ich gehe nicht gern
davon ab. Aber Sie erzeigen mir wohl
den Gefallen und nehmen aus meiner
EM” Roctasche meine Brieftasche
neine unglückliche Wunbe" —
zuckte zusammen — „lähmt.
meinen Arm und meine Hand voll-
ständig."
Nr. Green zog mit der größzten
Vorsicht bas Taschenbuch aus der Rod-
tasche des Obersten, öffnete es und
nahm bon etwa sechs bis sieben darin
befindlichen ganz neuen Banknoten
von 100 Pfund eine, welche der Oberst
ihn zu behalten bat.
Mr. John Green schrieb eine Quit-
tung, legte diese an die Stelle der er-
haltenen Banknote in das Taschenbuch
und steckte es wieder in die Tasche bes
Obersten. Der Oberst verließ den La-
den, stieg in sein Kabriolett, und in
raschem Trabe fuhr der Groom in der
Richtung von Merrion Square fort.
Nr. Green war aber ein vorsichtiger
Geschäftsmann, und trot der bei ihm
deponierten 100 Pfund wollte er sich
doch so viel als möglich vergewissern.
Er sah in der Rangliste nach und fand
dort den Namen und den Rang seines
Kunden, gerade wie dieser ihn angege-
ben hatte; er erkundigte sich bei dem
Agenten, der das Haus auf Merrion
Square bermiethet hatte, und erfuhr,
daß die prachtvolle Wohnung an den
Obersten John Green von der Garde
vermiethet sei und daß der Miether die
ausgezeichnetsten Empfehlungen von
seinem Bankier und anderen angesehe-
nen Personen beigebracht habe.
Im Laufe des Monats, zu dessen
Ende das Service fertig sein sollte,
kam der Oberst bon Zeit zu Zeit in den
Laden, um zu sehen, wie weit Mr.
Green mit der Arbeit sei, und unter-
hielt sich dann immer freundlich mit
dem Goldschmied.
Endlich war das Service fertig.
Am Abend wollte es der Oberst abho-
len, und wohl geputzt stand es im Ron-
tor auf einem Tisch, bedeckt mit einem
Tuch bon blauem Sammet. Pünktlich
um die bestimmte Zeit trat auch der
Oberst ein, sein Kabriolett stand unter
Aufsicht des Grooms vor der Thür.
zu lassen. Wenn Sie zurücktehren und
bas Gelb erhalten haben, nehme ich das
Service mit."
„Sie wissen, Herr Oberst," erwiderte
der Goldschmied, „daß ich in jeder Be-
ziehung gern zu Ihren Diensten stehe,
allein ic bin leider jetzt allein im La-
den und kann ihn nicht verlassen.
Wenn Sie es aber verlangen, so will
ich ihn schliessen und Sie mit dem Ser-
vice nach Ihrer Wohnung begleiten."
„Nein, Herr Green," entgegnete der
Oberst; „von dem Service geht auch
nicht ein Stüd aus Ihrem Laden, ehe
es nicht bezahlt ist; bas ist einmal so
zwischen uns abgemacht, und dabei
bleibt es auch. James," rief er‘seinem
Groom zu, „nimm diesen Brief, fahre
so rasch Du kannst nach Hause unb
bringe mir dasjenige her, was
Dir geben wird."
Der Groom nahm den Brief
fuhr in raschem Trabe davon.
man
und
Eine Viertelstunde verging nach der
anderen; der Groom kam nicht zurück
Der Oberst wurbe ungeduldig, stand
von dem Stuhle auf, sah nach seiner
Uhr unb ließ sich durch das Zureden
des Goldschmieds nur auf kurze Zett
beruhigen. Er wünschte, er hätte Mr.
Greens Vorschlag angenommen; er
habe jenen Groom nur als ordentli-
chen, ehrlichen Menschen gekannt, 1500
Pfund sei freilich eine Summe Gelb,
allein erst in der vorigen Woche habe er
ihm viel größere Summen anvertraut
u. T. w. 7
„Nun warte ic noch sieben und eine
halbe Minute," rief endlich der Oberst
im höchsten Unmuthe aus; „so biel Zeit
braucht er, um von Merrion Square
hierher zu fahren; ist er dann nicht
hier, so jage ich ihn morgen fort."
Die sieben und eine halbe Minute
waren vergangen, und der Groom war
noch nicht da. Jetzt war der Oberst
nicht länger zu halten.
„Erzeigen Sie mir den Gefallen,
Mr. Green," rief er aus, „und lassen
Sie mir eine Droschke holen. Ich will
selbst nach Hause fahren, in 20 Minu-
Der Oberst trat in das Kontor, der
Goldschmied zog die Sammet decke ab
und zeigte mit innerer Befriedigung.....,. ....... ...... ,wyp........- .......
dem Käufer das wirklich meisterhafte ten höchstens bin ic wieder hier, und
Service. Der Oberst, obgleich ein sehr Sie sind wohl so gut unb etwarten
ruhiger Mann, erklärte, daß diese Ar-, mich.“ %
beit seine kühnsten Erwartungen über- aww wcautyci Ascunuseat qule ctuie
träfe und daß et barauf bestehen Droschte vor ber Thür bes Gold-
müsse, daß Mr. Green bie erhaltenen rxmicha
mich." *
Nach wenigen Minuten hielt eine
schmiebs.
‘U” L7. -- 4
100 Pfund nicht als eine Abschlags- . SRerd - SMettion Guindtee cher
Ä forperroidlereimere Benoels, der oseel dem sutTaie gu. ^
stent ei annebme see Schilling Trinkgeld, wenn Ihr gut
. fahrt!“
„Mein lieber John Green, entschut-
digen Sie die wenigen Umstände, die
ich mache," sagte der Oberst, „Sie sind
mir seinen Dank schuldig. Geben Sie
mir Ihre Hand und nehmen Sie noch-
mals meinen herzlichsten Dank für
Ihre ausgezeichnete Arbeit."
Der Kutscher fuhr fort, so rasch
seine Gäule zu laufen nur imstande
waren. Der Goldschmied ließ inzmi-
schen das Service einpacken und war-
tete auf den Oberst. Es schlug fünf,
sechs, sieben, acht, neun; der Oberst
kam nicht. Es muszte ihn etwas abge-
halten haben; allein der Goldschmied
machte sich hierüber keine Gedanken; er
die Hand reichte. . hatte ja das Service und eine Zahlung
• „Kun zum Geschäft, Mr. John von 100 Pfund außerdem; er war also
Green," begann dann der Oberst, gang ltcher.
„Seien Sie so freundlich und nehmen Um halb zehn Uhr schloß er seinen
Sie mein Taschenbuch aus der Tasche Laden und ging nach seiner Wohnung,
und zählen Sie sich Ihre 1500 Pfund Seine Frau, welche ihn schon lange er-
ab, denn ich will keinen Augenblick säu- wartet hatte, war müde geworden und
men, meiner Gattin Ihr Meisterstück auf einem Sessel eingeschlafen.. Ein
zu zeigen." l offener Brief lag auf ihrem Schoos.
Mr. John Green beeilte sich, dem Mr. Green schlich sich leise an die
Wunsche bes Obersten zu genügen. Schläferin heran, um sie mit einem
Er nahm aus der Tasche desselben ein Suffe zu wecken, als sein Auge auf den
kleines Kartenetut, ein elfenbeinernes offenen Brief fiel.
Man kann sich leicht denken, mit
welchem freudigen Gesicht der Gold-
schmied seinem geehrten Namensvetter
Schreibtäfelchen, eine seidene Börse,
durch welche acht bis zehn Sovereigns
durchblitzten — aber kein Taschenbuch.
Mr. John Green untersuchte auf An-
weisung des Obersten alle Taschen; in
keiner war das Taschenbuch.
„Das ist denn doch unbegreiflich.
Wie spät ist es denn eigentlich?" fragte
der Oberst.
„Halb vier vorbei."
„Nun, dann geht es noch! An Sie,
mein lieber Mr. Green, habe ic nun
eine Bitte, nämlich die, daß Sie für
einen Augenblick meinen Sekretär ab-
geben. Sie wissen ja, ich kann meine
rechte Hand nicht gebrauchen. Wollen
Sie die Güte haben, für mich ein paar
Zeilen an meine Frau zu schreiben?"
Mit diesen Worten war ber Oberst
an das Pult des Goldschmiedes getre-
ten, auf welchem die gedruckten Rech-
nungsbogen mit der Firma bes Mr.
Green lagen; er nahm aus diesen
Blättern eins und reichte es dem
Golbieriebthine dem er folgende Zei-
lex-pustidt 2*:
„Meine liebe Frau! Sei so gut unb
sende mir durch ben Ueberbringet 1500
Pfund. Du hast ja den Schlüssel zum
Gelbicheante. Ic bedarf des Geldes
zu eineAs augenblicklich zu leistenden
Zahlung. “Laß Dir eine Quittung
über dass empfangene Geld geben.
Dein Didätiebender Mann
John Green."
„Dunte herzlich," sagte der Oberst,
nachdem er ben Brief durchgelesen hat-
te; „nun bitte ich Sie nur noch, mir zu
erlauben, daß ic hier noch eine Weile
rastet tato und Sie sind wohl so gut,
mil diesem Buri nach meiner Woh-
nung zu gehe
Um halb zehn Uhr schloß er seinen
„Was ist das?" rief er, als er seine
Handschrift und den eben von ihm ge-
schriebenen Brief erkannte.
Der Leser wird den Zusammenhang
leicht errathen. Es gab allerdings ei-
nen Oberst Green, der mit Auszeich-
nung in Elendslaagte gedient hatte,
verwundet worden, der das Haus auf
Merrion Square gemiethet und ein be-
deutendes Vermögen hatte. Wer weiß,
auf welche Weise irgend ein Betrüger
alle diese Thatsachen erfahren hatte;
auf die Kenntniß derselben hatte er
seinen schlauen Plan gegründet; sein
Groom war sein Helfershelfer, und der
Brief, den Nr. Green für den Oberst
Green geschrieben hatte, mar an die
Ehefrau bes Goldschmieds abgegeben
worden, die um so weniger Bedenken
gehabt hatte, die 1500 Pfund dem
Ueberbringer zu zahlen, als sie die
Handschrift ihres Mannes erkannt
hatte, und überdies der Brief noch auf
mit der Firma des Geschäfts gestempel-
tem Papier geschrieben wat. Die
schlauen Betrüger sind nie ermittelt
worden.
— Auch eine Heberra-
schung.’ „Mit was wirst Du Dei-
nen Gatten morgen an seinem Ger
burtstage überraschen?" — „Ic geb’
ihm am Abend den Hausschlüssel mit
—f die Kneipe!"
— Unüberlegter Protest.
„Ach, Geliebter, wie schmeichelhaft ist
es für mich, baß gerade ein so ge-
scheibter Mann wie Du sich in mich
verliebt hat unb mich heirathen will!"
Aber ic bitte Dich, Geliebte, bagu ist
Gegen den Plan.
Bon Anna Beiri.
Es war wirklich ein Segen, daß
Alma Lundstrom auf ben Gebanten
gekommen war, eine Speisestube ein-
zurichten, ein Segen sowohl für sie
wie auch für ihre Tischgäste. Des
Dienens war sie endlich müde, als sie
ihre Stellung aufgab, boch ohne füt
andere Menschen zu sorgen, konnte sie
absolut nicht leben. So wollte sie es
einmal damit versuchen, für anständis
ge junge Leute einen guten Tisch 81
halten. Gelang es nicht, nun, so müts
be sie eben wieder einen Posten als
Haushälterin finden.
Sie waren ihrer zwölf. Die drei
Herren von Petterson u. Co., spaßige
und vortreffliche junge Leute mit ats
tigen Ravaliersmaniren und tadellos
gezogenen Haarscheiteln. Zwei Runft-
tischler und ein Goldschmied, der drei
Jahre in Frankreich gewesen war und
Französisch sprach, wenn er den an-
deren imponiten wollte. Bier Semi-
naristen, stets blaß, schweigsam und
hungrig. Ein Maler mit langem
Schnurrbart und lockigem Haar, bej-
sen Kunstinteressen weit hinausgin-
gen über gemalte Schilder, und der
am Marientage Alma ein Delbilb
schenkte, „einen flüchtigen Entwurf",
wie er sagte. Die Wahrheit zu geste-
hen, konnte dieses Bild ebensowohl
einen Garten mit Aepfelbäumen bat-
stellen wie „eine Wiese mit weidenden
Rühen" — so wurde es nämlich bon
dem Künstler genannt.
Und dann der zwölfte, der Alma
ber liebste und an dessen Behagen
ihr am meisten gelegen war, ber Spes
zereihändler Anderson, ein braber,
stattlicher, ernster Mann und — wie
er selbst sagte, durchaus nicht abges
neigt, sich zu verheirathen, wenn et
ein braves Mädchen fände, mit dem et
sympathisirte, und das ihn nehmen
würde.
An demselben Tage, an dem An-
derson diese Aeusserung gethan hatte,
setzte Alma einen lange schon genähr-
ten Plan ins Werl. Es was elf Uhr
Abends, ihr Tagewerk "wat bollbract,
ihre Gehilfin, ein vierzehnjähriges
Mädchen,war heimgegangen. Da
nahm sie Papier und Tinte zur Hand
und schrieb an ihre Schwester Almas
lie, Müllersfrau in Görmland, ob
nicht ihre Tochter Emerentia, auf
eine Weile als Gast zu ihr kommen
könne. Sie wisse, daß sie ein liebes
Mädchen sei, und es könne ihr nichts
schaben, einmal von ‘Hause fortzutom-
men. Und dann noch ein paar bei-
läufige Bemerkungen über Herrn An-
derson was füt ein vortrefflicher
Schwiegersohn der einmal werden
fönnte. Er habe Geld, ein gutes Ge-
schäft, sei sparsam und ordentlich.
„Ich denke, es wäre ein Glid für
Euch, das Mädchen so gut anzubrin-
gen, und es wäre schön, zu wissen,
daß Euer biszchen Gut nach Eurem
Tode nicht vergeudet wird bon irgend
einem Bengel mit einem hübschen Ges
sicht, an den sich Emerentia etwa hän-
gen fönnte."
Nach diesem Brief schlief Alma
mit gutem Gewissen und einem zu-
friedenen Lächeln auf den Lippen
ein. Das hatte sie gut gesteuert,
meinte sie. Das Mädchen war or-
dentlic und sah gut aus, ja sie war
wie ein feines Fräulein — mit der
fonnte Anderson wohl sympathisiten!
Und konnte Emerentia einen besseren
Mann, Müllers einen vollkommeneren
Schwiegersohn bekommen? Nein, nies
mals!
Ehe noch eine Woche vergangen
war, empfing Alma von ber Schymes
ster einen herzlichen Dank für- ihre
Einladung. Emerentia würde sehr
gerne kommen und hoffe, ihr nüß-
lich sein zu können. In der näch-
sten Woche schon sollte sie reisen. Der
Brief athmete eitel Freude. „ES ist
lieb von bir, an das Mädchen zu
denken; wenn man nur ein einziges
Rind hat, ist es die größte Sorge,
wie man es gut verheirathen kann,
damit es sich nicht an den Erstbesten
fortwirft."
Freudestrahlend erzählte Alna ih-
ren Herren von der zu erwartenden
Nichte, und als Emerentia zum ersten
Mal za Tasch kommen sollte, ver-
sammelten sich bie zwölf mit einer
gewissen erwani.’Spannung.
Und — Fräulein Emerentia übertraf
ihre kühnsten Hoffnungen, sie war
entzückens!
Ehe das Mittagessen noch vorüber
war, waren hie drei Herren und Pet-
terson u. Co., der Goldschmied, die
Seminaristen, einer von den Möbel-
tischlern und ber „Kunst“ * Maler
über beide Ohren verliebt. Der ein-
zige, ber außer dem verlobten Tilch-
ler völlig unberührt schien, war An-
berson, was Alma mit einer gewis-
n Enttäuschung beobachtete. Doc)
! tröstete sich damit, baß er so ru-
A und ernit wäre unb man ihm
aber nie etwas anmerte. Zu ihrer
Eisen bazubleiben, weil sie wegen ei-
nes Sadts Kaffee mit ihm verhandeln
wollte, Ja, er schien sehr gern zu
bleiben und durchaus keine Gile zu
haben, obwohl er oft davon zu reden
pflegte, wie /unzuberläffig sein Leht-
ling sei, wenn er allein im Geschäft
wäre.
Doch nach einigen Tagen begann
Tante Alma sich ein wenig Sorgen
zu machen. Die Sache ging boc nicht
so, wie sie sich’s gedacht hatte. Eme-
rentia hatte wirklich allen Tischgästen
ben Ropf verdreht bis auf Anderson;
der blieb sich böllig gleich. 3mar
benützte er mit augenscheinlichem Ei-
fer jede Gelegenheit, um seinen Auf-
enthalt im Hause zu verlängern, boc
das schien Emerentia zu Almas Wer-
ger in keiner Weise zu würdigen. Sie
verschwand stets, sobald die anderen
Herren gegangen waren. Unb als sie
ihr das vorhielt und ihr sagte, daß
Herr Anderson scheinbar gern in ihrer
Gesellschaft bliebe, lachte sie nutr, jang
und trillerte sie in den höchsten Xö-
nen. Nie in ihrem Leben hätte Eme-
rentia sich träumen lassen, daß es so
herrlich amüsant sein könne. Ein An-
beter an jedem Finger, und darunter
einer, der netter war als all die an-
deren neun zusammen! Ach! Entzü-
denb war’s!
An einem Sonntagnachmittag war
Alma allein zu Hause. Emerentia
war in ihrem blau und weiß gestreif-
ten Musselinkleid bilbhübsch und
strahlend vergnügt spazieren gegangen.
Lima stand in bet Rüche und machte
bie Butterbrote zum Abendbrot zu-
recht. Da flopfte es an die Thür, unb
Herr Anderson tritt ein.
„Sie entschuldigen wohl, Fräulein
Alma, daß ic so zeitig komme, es ist
ja noch eine Stunde bis zum Abends
brot — aber, den ganzen langen
Sonntag bin ich so einsam, daß ich
mir dachte, ic könnte hier eine Weile
sitzen und zusehen, wie Sie alles be-
reiten. Doch sagen Sie’s nur, wenn
ic Sie störe."
„Keineswegs, Herr Anderson, bitte
sehr. Emerentia ist spazieren gegans
gen, ic bin also ganz allein hier."
Sie ärgerte sich innerlich bei dem Ge-
danken, wie gut es gepaszt hätte, wenn
Emerentia nun hier gewesen wäre.
Dann wäre sie inzwischen hineinges
gangen, um den Tisch zu decken ober
hätte sie auf irgend welche andere Art
allein gelassen, und es wäre alles wie
ein Spiel gegangen.
Anderson jedoch schien durchaus
nichts zu entbehren. Er zog einen
Stuhl an den Tisch und setzte sich
mit einem so zufriedenen und ber-
gnügten Gesicht, als bliebe ihm nichts
mehr zu wünschen übrig. Alma
wollte aber für alle Fälle den Mo-
ment bebenutzen, um ihrer Sache möge
lichst zu dienen und begann:
„Ich kann mir wohl vorstellen, daß
Sie sic einsam fühlen, Herr Ander-
son, besonders an solch einem Feier-
tag. Sie sollten boc daran denten,
sich zu verheirathen."
„Ja — ja — ich — ic weiß nicht,
ob ich die bekommen werde, die ic
haben will, sehen Ste."
„Ach, verjuchen Sie’s nut, bas
wird schon wei den", lachte Alma und
wandte ihm ermuthigend ihr frisches,
noch jugendliches Gesicht zu mit den
rothen Backen und den guten blauen
Augen.
Da sprang Anderson empor unb
ergriff ihre beiden Hände.
. „Meinen Sie das, Fräulein Al-
ma? Nun, so frage ich Sie im
Moment — wollen Sie mich haben?
Sie sollen es nicht bereuen, wenn Sie
ja sagen, das verspreche ic Ihnen
heilig!"
„Sind Sie närrisch? Lassen Ste
mich los, Herr Anderson — nicht
mich sollen Sie haben — —"
Sie riß ihre Hände-los und fant
in einen Stuhl, vor Bestürzung äch-
genb.------
„Ja, baß gerade ist meine, Absicht.
Wer sollte es denn sonst sein?" An-
derson näherte sich ihr entschlossen und
ergriff wieder fest ihre Hand. „Nie
wollte ic eine andere als Sie, Alma
— das ist mir schon seit Weihnachten
flar!"
„Aber Herr Gott, Herr Anderson,
es ist ja Emerentia, die —“
„Emerentia? Die sollte ich haben?
Nein, nicht um alle Butter Sma-
lanbs! Solch ein Kind ist ja mit 3h-
nen, Alma, gar nicht in einem Athem
zu nennen — unb für mich, mit mei-
nen 36 Jahren!"
„Warum sollten Sie mich nicht nen.
men fönnen?"
„Ja - ic kann schon", schluchzte
Alma, „unb ich bin ja eigentlich aud
gar nicht traurig, aber — bas tam f
— so plötzlich —"
„Nun, bas ist boc aber nicht meine
Schuld, daß Sie nicht gemertt haben
wie es um mich steht, denn ich mein
gezeigt und bewiesen habe ich es off
genug.’ - .
„Ich glaubte, es sei Emerentia,
und — nein, ich hätte nie geglaubt,
daß Sie mich haben wollen."
„Aber — nun ist’s bie Frage, ob
Sie mit haben wollen, Alma? Ant-
worten Sie mit nun boc mit ja ober
nein."
„Nun, eis Nein wird’s wohl nicht
werden", lachte Alma, und ent-
zückt besiegelte Anderson seine Ber-
lobung mit einem schallen ben
Ruß.----N D
Nach einem langen Waldspazier-
gang kehrte eine ganze Weile nach
dem Abendbrot ein glückseliges Paar
zurück, Emerentia und ber Maler —
ein junger Bengel mit hübschem Ge
Echt und ohne einen Der, wie Alma
B treffend den beschrieben hatte, ben
die Müllergleute nicht zum Gidam
bekommen selten. Das patzte gan,
genau auf ihn. Aber Emerentia und
er hatten sic gelobt, sich treu zu sein
bis in ben bleichen Tod unb muthig
allen grausamen elterlichen Geboten
zu trotzen.
Almna bekam ben Schwester Amalic
einen scharfen, gepfefferten Brief, als
die beiden Neuigkeiten bekannt mut-
den, unb die Müllersleute erfuhren,
welchen Weg ber ihnen zugebachte.
Schwiegersohn genommen und men"
sie an seiner Stelle bekommen hat
ten. -
Und st: weinte bitterlich inmitten
all ihrer Preube, denn sie fühlte, wie
ärgerlich Sie Sache für ihre Gesdhris
ster wor.
„Hätte ich poch nie nach bir ge-
schrieben, Emerentia", schluchzte sie.
„Das darfst bu nicht sagen, Tan-
te. Wie hätte ic benn sonst meinen
Albin finden sollen?" lachte bas Mäb.
chen.
*w es ja gerade, was b#
nicht solltest, verstehst bu.”
“Rein, bos verstehe ich wirklich
nicht. Aber, sei nun nicht traurig,
Tante, benr. ich weiß, daß Bater und
Mutter gar nicht so schlimm sind,
wie es scheint, und wenn sie Albin erst-,
kennen werben, bann werden sie
sicher seht zufrieden sein. Er wirb
ihnen wohl genügen, wenn er mit
genügt."
Und
Alma
glaubte
geweiht
es auch
1nb
pas glaubte eigentlich Tante
auch. Und auch Anderson
es, der in ben Kummer ein-
wurbe, unb natürlich glaubte
Albin.
schließlich glaubten bie Nül-
lersleute es auch. .
Gin Driginal.
Der Marquis von Clanricarde be-
fitzt in der Grafschaft Galbay in
Irland ungeheure Besitzungen; aber
er hat sie nie mit seinem Fuß betre-
ten, da er gleich seinen Vorfahren bie
grüne Insel, bie ihm boc so große
Einkünfte verschafft, von ganzer Seele
hasst. Die Irländer sind darüber so
beleidigt, baß sie im Parlament burc
ihre Deputitten einen Antrag haben
einbringen lassen, daß dem unbant
baren Lord seine Gilter genommen
werden sollten. Sie haben freilich
keinen Erfolg damit gehabt. Ein felt
sameres Original als diesen Marquis
gibt es, wie der Eri de Paris erzäblt
selbst im Vereinigten Königreich woll
kaum. Er ist heute 74 Jahre alt, hat
sich niemals entschließen können zu
heirathen unb begräbt sich böllig in
seinem Haue, einem ber schönsten von
Piccadilly, in dem er unermeßlich
Schätze von Bildern, keramischen Ar
beiten, Bronzen u. s. w. angehäuf
hat. Für seine Sammlungen gibt er
unglaubliche Summen aus, währent
er sic selbst bas Nothwendigste bei
sagt. Sein Gels geht so weit, bat
er selbst den Schneider unb Gchr
macher fpielt, um nicht Kleibung un
„Ich bin ja aber boc zu alt, Herr
Anberion!"
„Ja, das bin ich auch, noc sieben
Monate älter, bas if also gerade I brachte. Sein
richtig. Und Sie sehen ja aus, als I die Bachtfummen ein .
wären Gie 26 - ober 16 1* he in be lberten 9
seines Lebens mit sein
„Ober sechs bielleicht", lachle sie, I werthen,
während Thränen amischen ihren
Wimpern WHn. tote suchte mAl
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Heilig, G. A. La Grange Deutsche Zeitung. (La Grange, Tex.), Vol. 17, No. 34, Ed. 1 Thursday, April 4, 1907, newspaper, April 4, 1907; La Grange, Texas. (https://texashistory.unt.edu/ark:/67531/metapth1617396/m1/1/: accessed July 16, 2024), University of North Texas Libraries, The Portal to Texas History, https://texashistory.unt.edu.; crediting Fayette Public Library, Museum and Archives.